KI ist kein Ersatz, sondern ein Verstärker
Künstliche Intelligenz ist im Literaturbetrieb angekommen. Sie kann Handlungsstränge vorschlagen, Figuren skizzieren oder Schreibstile imitieren. Doch wer hofft, dass die KI den gesamten Roman für ihn schreibt, wird enttäuscht. Ihre wahre Stärke entfaltet sich im kreativen Zusammenspiel mit dem Menschen – besonders mit jenen, die bereits wissen, wie gute Geschichten funktionieren.
1. Die Grundthese: Schreibkompetenz entscheidet über den KI-Erfolg
Die zentrale Erkenntnis lautet: Erfahrene Autorinnen und Autoren profitieren am stärksten vom Co-Writing mit KI. Wer bereits dramaturgisch, stilistisch und strukturell sicher ist, kann die KI gezielt einsetzen, um den eigenen Schreibprozess zu beschleunigen, zu vertiefen oder zu variieren. Nicht die KI „schreibt den Roman“, sondern der Autor führt Regie über einen intelligenten Textassistenten.
2. Diese Grundlagen solltest du mitbringen
Damit die Zusammenarbeit mit der KI zur Meisterschaft führen kann, brauchst du ein solides Fundament in folgenden Bereichen:
- Dramaturgie: Drei-Akt-Struktur, Heldenreise, Beatsheet
- Figurenentwicklung: Charakter-Typologien, Entwicklung, Motivation
- Erzähltechnik: Perspektive, Stil, Show-Don't-Tell
- Genre-Wissen: Erwartungshorizonte, typische Tropes (z.B. Genrethemen) und Erzählmuster
- Redigierfähigkeit: Fähigkeit zur Auswahl, Bearbeitung und Bewertung von Texten
Diese Kompetenzen ermöglichen dir, gezielt zu prompten, sinnvolle Alternativen zu generieren und KI-Vorschläge souverän zu beurteilen.
3. Ein Beispiel aus der Praxis: Figurenentwicklung mit KI
Stell dir vor, du möchtest eine Figur vertiefen. Als erfahrener Autor kennst du z. B. die Dreiteilung nach Frye (sozial, psychologisch, physiologisch). Du forderst die KI auf, passende Hintergrundkonflikte für die psychologische Ebene zu liefern – zum Beispiel auf Basis einer Vaterfigur mit narzisstischen Zügen. Die KI bietet dir drei Varianten. Du bewertest, verfeinerst und kombinierst – ganz im Sinne eines Autorenraums, den du leitest.
4. Was Anfänger oft übersehen
Wer ohne erzählerische Vorkenntnisse mit der KI arbeitet, bekommt zwar Text – aber keine Geschichte mit Tiefe. Die KI reproduziert dann nur das, was sie „gelernt“ hat: stereotype Strukturen, generische Dialoge, dramaturgisch instabile Plots. Ohne redaktionelles Auge oder strukturelles Gespür bleibt die Textausgabe oberflächlich.
5. Co-Writing als neue Form der Meisterschaft
Die große Chance liegt in einer neuen Haltung: nicht KI statt Autor, sondern KI mit Autor. Die besten Resultate entstehen, wenn Schreibende mit klarer Vision und geübtem Blick die Maschine nutzen wie ein Musikinstrument – virtuos, bewusst, zielgerichtet.
So entsteht eine neue Form des Schreibens: hybrid, dialogisch, reflektiert. Sie setzt nicht weniger Können voraus, sondern mehr – und eröffnet damit erfahrenen Autoren ungeahnte Möglichkeiten.
Die Zusammenfassung: Schreib, was du beherrschst – KI hilft dir, es zu veredeln
Künstliche Intelligenz kann das Schreiben nicht ersetzen, aber sie kann es bereichern. Vor allem dann, wenn du bereits weißt, wie Geschichten gebaut sind, wie Figuren lebendig werden und wie Sprache wirkt. Mit diesem Wissen in der Hand wird KI zur Verstärkung deiner kreativen Stimme.
Der Autor Stefan Wellmann ist KI-Text-Experte.
Veröffentlichungen:
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